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Dienstag, 18. November 2014

Seiner eigenen Geschichte in der Ferne begegnen


Eindrücke während eines Aufenthalts bei Baobab in Ghana

Volontäre sind bis zu einem Jahr bei Baobab, wir vom Vorstand des dt. Baobab-Vereins waren auch schon alle mehrere Wochen oder Monate vor Ort und haben dort mitgearbeitet. Wie verändert einen dieser Aufenthalt? Hier ein kleiner persönlicher Einblick  von mir:

Ich kann es Zufall nennen oder eben einen Weg, der mich nun gerade hier oder dorthin gebracht hat, aber ich glaube, es ist in erster Linie immer die eigene noch im Unklaren liegende Geschichte. Geschrieben wird die Geschichte gar nicht von mir, sondern viel mehr von all dem, was mir hier widerfährt, was mir auffällt, worüber ich stolpere.
Die Mädchen spielen mit Jessica
Daheim in Deutschland in meiner gewohnten Umgebung fällt mit nicht wirklich viel auf, ja, als kleines Kind, da kam ich aus dem Staunen kaum heraus. Heute muss ich nach Westafrika reisen, wo meine Überzeugungen und meine Sichtweise erst mal außer Kraft gesetzt sind, ich muss erst  meine gewohnte Umgebung verlassen, um wieder sehen und staunen zu lernen. 
Einige Baobab-Kinder nennen mich hier „Madam Bib, my grandma“, andere hängen sich an mich oder drängen sich in meinen Arm. Einige zupfen nun schon sicherlich zum 5 x an meiner hellen Haut, ohne dass es mir lästig wird und ich lasse hier Dinge zu, die sich meine SchülerInnen in Deutschland nicht herausnehmen dürften. Aber hier erscheint es mir richtig. Ich glaube, ich hätte z. B. als Kind auch gerne mal an einer dunklen Haut gezupft.
In den Kindern und Jugendlichen von Baobab und in ihren Eltern begegne ich manchmal meiner Familie, meinen Geschwistern und auch manch einem Schüler meiner bisherigen Schultätigkeit, einem, dem ich helfen konnte oder auch einem, wo ich wohl versagt habe.

Schlank sein

Lizbeth und Joyce
Mein Blick hat sich verändert.  Hier bewundere ich niemanden, weil er oder sie so schön schlank ist. Alle Kinder sind, wenn sie zu Baobab kommen, schlank, dünn, nie ist auch nur ein Gramm zu viel an ihnen. Dünn sein ist hier ein Zeichen  von Armut mit dem Geruch von Hunger. Wenn ich unsere rheumakranke spindeldünne Lizbeth sehe, dann frage ich mich schon, ob sie wirklich genug isst, ob wir mehr auf ihr Essen achten müssten, aber wer achtet schon in Ghana darauf, dass Kinder genug essen, das machen sie selbst, sie schauen, ob sie auch genug abbekommen, von dem, was da ist. Und bei Baobab ist immer genug da, jeder kann sich bei Evelyn oder Baidoo eine weitere Portion holen. Joyce holt sich gleich besonders große Portionen, wahrscheinlich scheint die Erfahrung von Hunger in der Kindheit sie dazu zu bringen, jetzt wo genug da ist, auch gut zuzugreifen.



Hier sind die älteren Geschwister für die jüngeren zuständig, immer, ohne Ausnahme. Erst fand ich das hart an der Grenze zur Kinderarbeit, wenn eine Sechsjährige ihre einjährige Schwester auf dem  Rücken trägt. Aber ich musste auch mit 10 Jahren mit dem kleinen Bruder im Kinderwagen losziehen und geschadet hat es mir nicht, es hat ein Verantwortungsgefühl für den Bruder entstehen lassen. Aber vielleicht hinkt der Vergleich auch.


Die Gerüche Afrikas

Die Armut hier sehen, sich irgendwie mit ihr arangieren, die nicht enden wollenden Düfte Afrikas zu seinen machen, die guten natürlich, ja, gerne, immer, kein Problem, die Gewürze, die Früchte, das Meer, die Gräser, die Blüten.
Aber 'Afrika riechen' heißt auch die Nase vor den Abwasserkanälen in Städten wie Cape Coast oder  sonst wo auf dem Kontinent zu verschließen. Dieses Zuhalten der Nase als immer wieder notwendiger Schutz, um in einer Stadt wie dieser seine Lebensfreude nicht zu verlieren: Einfach den Atem anhalten, solange man über so eine Rinne drübersteigen muss, um bloß nicht zu riechen, was da alles am Straßenrand in dieser Rinne so schwemmt.

Die Abwasserkänäle in Cape Coast sind nur teilweise notdürftig mit Holzbrettern überdeckt. Es stinkt!




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